Können Sie in der heutigen volatilen Geschäftswelt mithalten oder hadern Sie zunehmend mit internen, bürokratischen Prozessen, überkomplexen Strukturen und zunehmender Veränderungsresistenz in Ihrem Unternehmen?

Wenn Letzteres der Fall ist, wird es höchste Zeit, sich mit dem Thema „Agilität“ zu beschäftigten. Oft zitiert, doch nur in den wenigsten Fällen wirklich verstanden und noch viel seltener wirklich gelebt.

Was bedeutet Agilität?

Agilität ist die Fähigkeit zur Antizipation von relevanten Veränderungen im eigenem Umfeld und die schnelle sowie effektive Adaptionsfähigkeit an solche Veränderungen. Speziell in einem volatilen Wettbewerbsumfeld stellt eine agile Entwicklungslandschaft sicher, dass die richtigen Produkte und Leistungen schnell und zielgerichtet entwickelt werden. „Nicht agiles Projektmanagement“ liefert die Entwicklungsergebnisse allzu oft viel zu spät und trifft den honorierten Kundennutzen nicht genau genug. Zusätzlich zum Zeitverzug sind Over- und Under-Engineering typische Verschwendungen, die die Wettbewerbsfähigkeit auf fatale Art und Weise; dramatisch verschlechtern.

In zunehmenden Maße versuchen Unternehmen die Vorteile eines agilen Vorgehens in ihren Strukturen und Prozessen zu verwirklichen, um Wettbewerbsvorteile strategisch aufzubauen. Zahlreiche Studien belegen, dass agile Unternehmen flexibler am Markt agieren, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit aufweisen und somit den aktuellen Megatrends wie Digitalisierung und Elektromobilität erfolgreich begegnen können.

Was bedeutet Agilität?

Ordnungsrahmen zur Gestaltung agiler Organisationen

Spielen Sie noch Agilitätstheater oder meinen Sie es ernst?

Zur Umsetzung von agilen Entwicklungsprozessen bedarf es neben einer Reihe von Voraussetzungen und Änderungen der Rahmenbedingungen vor allem einem Umdenken in den Köpfen aller Beteiligten; ansonsten „spielt man nur Agilitätstheater“ mit der Folge, dass die möglichen Verbesserungspotenziale nicht erreicht werden, Mitarbeiter frustriert zurückbleiben und der Begriff der Agilität im Unternehmen verbrannt wird. An Hand von agilen Werten, Prinzipien und Methoden lassen sich die wesentlichen Elemente eines agilen Vorgehens auf den unterschiedlichen Ebenen beschreiben (Abb. 2): Hierbei werden drei Handlungsfelder unterschieden:

Führung und Kultur: 

Agilität beginnt in den Köpfen und braucht ein kollaboratives Arbeitsumfeld mit einer vernetzten Wissensorganisation.

Prozesse und Strukturen: 

Sind zugleich stabil und flexibel auszulegen. Hierzu zählen hochiterative Prozesse, die auf exaktes Treffen von Kundennutzen ausgerichtet sind, sowie netzwerkorientierte Strukturen mit Selbstorganisation der cross-funktionalen Entwicklungsteams, kurzen Entscheidungswegen und kongruenten Zielen.

Technologien und Ressourcen: 

Produkt- und Produktionstechnologien und -ressourcen sind marktorientiert und vernetzt auszulegen, so dass die Produkt- und Wertschöpfungsarchitekturen im Hinblick auf maximalen Kundennutzen und bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit optimiert werden.

Einige Beispiele sollen zeigen, was in der heutigen Praxis häufig einem agilen Entwicklungsmanagement entgegensteht:
  • Lange Entscheidungswege in einer Top-Down-getriebenen Unternehmenshierarchie, funktionale Arbeitsteilung mit unnötigem Silo-Denken und schlechte bereichsübergreifende Zusammenarbeit verhindern schnelles, kollaboratives und adaptives Vorgehen, welches für wirkungsvolle Entwicklungen notwendig ist.
  • Es besteht keine Bereitschaft, früh zu scheitern oder den zu erwartenden Nutzen mit minimali-sierten Prototypen zu testen. Dadurch besteht die Gefahr, mit dem Leistungsangebot nicht den gewünschten Kundennutzen zu treffen und zu aufwändig, zu sehr von unzutreffenden Meinungen geleitet, zu perfekt und zu spät zu sein. Oft stehen Angst vor Know-how-Verlust, Patentschutzüberlegungen, fehlende Kundennähe und starre Entwicklungsprozesse solchen Kundennutzentests entgegen.
  • Eine sanktionierte Null-Fehler-Kultur, die im Qualitäts- und Produktionsmanagement positiv ist, lähmt in der Entwicklung Mut, Neugierde sowie Leidenschaft und verhindert damit innovatives Experimentieren und als Folge disruptive Innovationen.

Darüber hinaus fokussieren sich manche agile Ansätze nur auf die Themen „Führung und Kultur“sowie „Prozesse und Strukturen“, was zu inhaltslosen Vorgehensweisen ohne Berücksichtigung der eigentlichen Geschäftssituation führt. Zu einem ganzheitlichen Vorgehen gehört daher das Handlungsfeld „Technologien und Ressourcen“ unausweichlich dazu, um das agile Vorgehen auf die Spezifika des Geschäftsmodells und der Wettbewerbssituation auszurichten. An dieser Stelle sei auf die Lean Innovation Prinzipien, das Komplexitätsmanagement und die Grundsätze von Produkt- und Wertschöpfungsarchitekturen der Schuh-Gruppe verwiesen, die we-sentliche und erfolgskritische inhaltliche Grundlagen für ein erfolgreiches agiles Entwicklungsmanagement beschreiben. Ohne diese Prinzipien kann falsch ver-standene Agilität schnell zum Chaos z. B. einem Varianten- oder Release-Chaos führen.

Wer mit dem Thema agiles Entwicklungsmanagement wieder nur „eine neue Sau durchs Dorf treibt“ und andere Prinzipien vernachlässigt, der endet bei schlechtem Agilitätstheater.

Proejktbeispiel: Welchen Reifegrad bzw. Nutzen hat Ihr agiles Entwicklungsmanagement?

Da die Einführung von agilen Entwicklungsprinzipien für viele Unternehmen ein nennenswerter Umbruch im Entwicklungsmanagement ist und dies nicht auf Knopfdruck passiert, erscheint es sinnvoll, den Umsetzungsgrad bezüglich agilem Management zu einem definierten Zeitpunkt als Ausgangsbasis zu erfassen. Am Projektbeispiel eines Agilitätsaudits bei einem Komponentenlieferanten soll gezeigt werden, wie der Status Quo eines Entwicklungsbereiches mit einem Reifgradmodell bewertet wird. Ziel des hier beschriebenen Audits war es, den Reifegrad einer ersten Piloteinführung von agilem Projektmanagement zu bestimmen und Handlungsoptionen für Verbesserungen zu identifizieren, bevor die benutzten Prinzipien und Methoden in andere Bereiche ausgerollt werden. Das Zitat von einem der Projektleiter belegt die Vorteile des agilen Projektmanagements: „Mit agilem Projektmanagement schaffen wir 30 % mehr“

Methodisches Vorgehen beim Agilitätsaudit

Das hier eingesetzte Agilitätsaudit wird als sogenannte Gap-Analyse durchgeführt, bei der die jeweilige Ist-Situation mit Successful Practices verglichen und bewertet wird. Die Definition der Successful Practices basiert auf einer Vielzahl von Industrieprojekten, Benchmarking-Studien und theoriegeleiteten Untersuchungen. Sie stellen zu den relevanten Themenfeldern der agilen Werte, Prinzipien und Methoden jeweils bewährte Handlungsmuster dar, die ein erfolgreiches, agiles Entwicklungsmanagement sicherstellen.

Mit Hilfe eines 5-stufigen Reifegradmodells wird die Abweichung von den Successful Practices be-wertet und in einem Spinnendiagramm dargestellt (Abb. 3).

Ergebnis der Gap-Analyse mit fünfstufigem Reifegradmodell inkl. Priorisierung der Themenfelder mit signifikantem Verbesserungspotenzial

Beim Reifegrad 5 ist die Ist-Situation gleich dem Benchmark, während Reifegrad 1 die größte Abwei-chung von der Successful Practice zeigt und damit äußerst wenige der agilen Prinzipien umgesetzt sind. Parallel zur Gap-Analyse werden gemeinsam Hand-lungsoptionen zur Verbesserung der Ist-Situation identifiziert und im Hinblick auf eine zukünftige Soll-Situation priorisiert. Zur Priorisierung erhält jedes Teammitglied eine definierte Anzahl von Stimmen, die auf die relevanten Optionen zu verteilen sind (rote Punkte in Abb. 3).

Fazit

Die beschriebene Form des Agilitätsaudits

  • beinhaltet eine Gap-Analyse, die mit dem relevanten Managern aller beteiligten Bereiche als Vergleich zwischen Successful Practices und Status Quo erarbeitet wird,
  • identifiziert gemeinsam erarbeitete Handlungs-optionen und Verbesserungspotenziale,
  • hinterfragt den Reifegrad der Umsetzung von agilen Methoden des Entwicklungsmanagements auf Basis eines ganzheitlichen Ansatzes. Dieser fokussiert auf die agilen Werte und Prinzipien und schlägt eine Brücke zu den erfolgskritischen Prinzipien bezüglich Lean Innovation, Komplexitätsmanagement und Produkt- und Wertschöpfungsarchitekturen der Schuh-Gruppe, um eine inhaltliche Ausrichtung auf die Geschäfts- und Wettbewerbssituation sicherzustellen,
  • vermittelt auf Basis der vorgestellten Successful Practices und der kritischen Reflexion ein gemeinsam getragenes Verständnis zum Thema Agilität und dessen Benefits, was ein wesent-licher Erfolgsfaktor für die Umsetzung von agilem Entwicklungsmanagement ist.

Teilen mit:



Autor

Dr. Stephan U. Schittny
stephan.schittny@schuh-group.com

Zurück


Diese Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website erforderlich sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komforteinstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Diese Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website erforderlich sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komforteinstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Ihre Auswahl wurde gesichert.