Im Zuge des wirtschaftlichen Schocks der Corona-Pandemie wurde das Bestandsmanagement vieler Unternehmen auf die Probe gestellt. Entscheidungen des Bestandsmanagements fielen oftmals ad-hoc, da bisherige Bestands-Managementsysteme an ihre Grenzen stießen. Entscheider stehen jetzt, der zweiten Pandemie-Welle, wichtigen Fragen gegenüber: Welche gesamtwirtschaftlichen Zukunftsszenarien sind zu erwarten und inwiefern beeinflussen diese das Bestandsmanagement? Sollten Bestände nach der Krise eher aufgebaut, konstant gehalten oder reduziert werden? Welche strategischen Stoßrichtungen zum effizienten Bestandsmanagement sollten während und nach der Pandemie verfolgt werden? Diese und weitere Fragen möchten wir in diesem Artikel adressieren.

Die Corona Pandemie, eine noch nie dagewesene Herausforderung – Auswirkungen am Beispiel der Automobilindustrie

Mit einem Rückgang des Absatzes von über 60 % verzeichnete die deutsche Automobilindustrie, als Speerspitze der deutschen Wirtschaft, im April 2020 einen der dramatischsten Nachfragerückgänge in ihrer Geschichte. Die reinen Produktionszahlen zeichneten ein noch düsteres Bild: ein Einbruch von nahezu 100 % im April diesen Jahres. Entsprechend des „Bull-Whip-Effekts“, schlugen sich Produktionsstopps der OEMs auf die Zulieferer durch. Insbesondere solche, oft mittelständischen Zulieferbetriebe, deren Produkte ausschließlich entlang der Automobilindustrie ausgerichtet sind, traf dies schwer. Während manche Unternehmen die überschüssigen Kapazitäten in der Krise nutzten, um Bestände aufzubauen, fokussierten andere Unternehmen eine Bestandsreduktion, um freies Kapital zu sichern.

Die Entscheidungen hierfür erfolgten nicht selten „aus dem Bauch heraus“. Jetzt, nach dem direkten Einschlag der Corona-Pandemie, stellt sich für Entscheider, sowohl in der Automobilindustrie als auch anderer Branchen, die Frage, wie ein effizientes Bestandsmanagement nach der Krise gestaltet
werden kann.

Zukunftsszenarien der Marktentwicklung und deren Einfluss auf das Bestandsmanagement

Zur Beantwortung dieser Fragestellung bedarf es einer Untersuchung möglicher Zukunftsszenarien. Es werden weiterhin vier volkswirtschaftliche Zukunftsszenarien der wirtschaftlichen Erholung diskutiert. Deren Benennung ist dabei angelehnt an die Ausprägung der Erholungskurven des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Zuge und Nachgang des Corona-Schocks:

V-Szenario: Das V-Szenario geht von einem zügigen Erholungstrend der Wirtschaft aus. Die Wirtschaft erholt sich demnach wieder und Wachstumseinbußen werden kurzfristig durch höheres BIP-Wachstum überkompensiert.

U-Szenario: Im U-Szenario erholt sich die Wirtschaft, jedoch verzögert im Vergleich zum V-Szenario. Ebenfalls tritt keine Wachstums-Überkompensation ein. Dies bedeutet, dass der Vor-Corona-Wachstumstrend nicht erreicht wird.

L-Szenario: Die Wirtschaft erholt sich nicht vollständig vom Schock der Corona-Pandemie. Kleinere Ausbrüche führen zu geringerer gesamtwirtschaftlicher Produktivität. Das BIP-Wachstum erreicht das Vorkrisenniveau nicht.

W-Szenario: Ein wiederkehrender Ausbruch (2. oder 3. Welle) führen zu Lock-Down-Maßnahmen und Lieferausfällen.

Abb. 1: Strategien des Bestandsmanagements im Spannungsfeld zwischen Risikominimierung und Liquiditätsmaximierung

Für das Vorhalten von Beständen sind drei Unsicherheiten entscheidend und erschweren ein effizientes Bestandsmanagement: die Bedarfsunsicherheit, also die Unsicherheit auf Nachfrageseite hinsichtlich zukünftiger Absätze, die Lieferunsicherheit, also das Risiko auf der Angebotsseite, sowie die Produktionsunsicherheit durch Kapazitätsengpässe im eigenen Unternehmen. Bewertet man die oben genannten vier Zukunftsszenarien hinsichtlich dieser drei Unsicherheitsfaktoren, ergibt sich ein klares Bild, welche Auswirkungen die Zukunftsszenarien auf das Bestandsmanagement haben – die externe Risikoperspektive, ausgehend vom gesamtwirtschaftlichen Umfeld.

Bestandsmanagement im Spannungsfeld zwischen Risikominimierung und Liquiditätsmaximierung

Eine reine singuläre Betrachtungsweise der externen Risikoperspektive ist hierbei jedoch nicht ausreichend. Vielmehr muss immer die interne, finanzielle Situation Teil des Betrachtungshorizonts sein. Stellt man beide Dimensionen gegenüber, so kristallisieren sich grundsätzliche Normstrategien zum Umgang mit Beständen heraus. Während bei unsicherer externer Perspektive und stabiler finanzieller Situation tendenziell über Bestandsaufbau zur Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft nachgedacht werden kann, ergibt sich für den umgekehrten Fall ein gegenteiliges Bild. Besteht akuter Bedarf zur Kapitalminimierung, so überlagert dieser Effekt eine potenzielle Risikominimierungstaktik.

Fünf strategische Stoßrichtungen für ein nachhaltig optimiertes Bestandsmanagement post Corona

Beide Fälle haben jedoch eins gemein: ein effizientes Bestandsmanagement ist in jedem Fall sinnvoll. Nur so lassen sich Bestände effizient hochfahren, ohne unnötige Last im Unternehmen zu erzeugen. Gleichermaßen erlaubt ein effizientes Bestandsmanagement die dynamische Reduktion von überflüssiger Bestandslast. Zusammen mit den Erfahrungen unserer Kunden haben wir Best-Practices aggregiert und schlagen fünf strategische Stoßrichtungen vor, um Bestände nachhaltig zu senken:

  • Ausgerichtetes Zielsystem: Leiten Sie Ihre Bestandsziele strategisch ab, quantifizieren Sie diese und überführen sie in ein Zielsystem. Die Verantwortlichkeiten für die Zielerreichung müssen klar definiert werden.
  • Produktionsplanung und -steuerung: Stellen Sie sicher, dass ein effizienter und ganzheitlicher S&OP (Sales and Operations Planning) Prozess unter Einbeziehung der relevanten Unternehmensfunktionen gelebt wird.
  • Optimierter Wertstrom: Analysieren Sie den Materialfluss, zur Vermeidung von Beständen entlang der Wertschöpfung. Ermöglichen Sie eine nachhaltige Losgrößenminimierung durch Rüstzeitoptimierung.

Abb. 2: Strategische Stoßrichtungen für das Bestandsmanagement

  • Maximale Transparenz: Sensibilisierung und Steuerung durch maximale Transparenz der Bestandsinformationen ist ein Schlüssel zum Erfolg. Auch eine Bestandsvorhersage (z. B. deterministisch oder stochastisch) kann helfen, unerwünschte Trends frühzeitig vorherzusehen.
  • Informationsbereitstellung und -austausch: Stellen Sie die Informationen aus Systemen, wenn möglich, in Echtzeit zur Verfügung und vermeiden Sie systemoder ablaufbasierte Verzögerungen entlang des Produktionsplanungsprozesses. Streben Sie eine bestmögliche Anbindung von Lieferanten und Kunden an Ihre Systeme an.

Werden die Ansätze eines effizienten Bestandsmanagements verfolgt, so lässt sich, laut einer Studie des FIR der RWTH Aachen, ein branchenübergreifendes Bestandssenkungspotenzial von etwas mehr als 25 % erzielen – ohne Auswirkungen auf den Lieferservicegrad.

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